Come on baby, light my fire
Ich sitze in einem Straßencafé in der Leipziger Innenstadt. In der Institution, welche jeder Leipziger und auch ich seit über zwanzig Jahren kennen- und lieben gelernt hat. Das SPIZZ. Der Jazz- und Music-Club, das Café und Restaurant. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel verändert. Die Einrichtung ist die gleiche geblieben – schlichte Holzmöbel, teilweise neu gepolstert oder aufgrund des Verschleißes ersetzt. Ich möchte das Mobiliar nicht als bequem bezeichnen, doch gemütlich ist das SPIZZ allemal. Mit all seinen Geschichten und Erinnerungen, die noch heute jeden Tag neu geschrieben werden. Einige Handlungsstränge meines Lebens sind hier entwachsen und ich denke gern zurück an all’ die Abenteuer, bei denen mich dieser Ort begleitet hat.
Am Tisch gegenüber sitzt ein gealtertes Zwillingspärchen, beide in schwarz-weiß gewandet, die eine gestreift, während die andere Punkte trägt. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Mustergültig nippen sie an ihrem Sprudelwasser mit Zitronenschnitz. Drei Tische weiter genießen ein junges, hübsches Mädchen und ihre Mutter die strahlende Mittagssonne. Auch sie sind sich ähnlich, nur liegen hier ungefähr dreißig Jahre und einige Sorgenfalten dazwischen. Beide haben den Vormittag mit einem Friseurbesuch verbracht. Die altersangebrachte Kurzhaarfrisur sitzt, die junge Mähne dagegen wallt golden im Tageslicht, während sich die Trägerin darunter die modische Sonnenbrille auf der Nase zurecht rückt. Sie will heraus aus dem Leben jenseits von Strickjacken und zurecht gezupfter Wasserwelle, wie ihre Mutter sie bevorzugt. Die Blicke des Mädchens schweifen unentwegt über den Rand der dunklen Brillengläser, hinüber zum Marktplatz mit dem alten Rathaus, dann zurück das Barfußgäßchen hinauf. Das Leben vor der Nase, sucht sie einen sonnigen Fluchtweg aus dem Spießbürgertum. Ich beobachte sie über meine bauchige Kaffeetasse hinweg. Grand Melange. Wie vor zwanzig Jahren. Manche Dinge ändern sich eben nie. So auch der Musiker, welcher mit einer Gitarre bewaffnet und einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen den Freisitz-Bewohnern (für Nicht-Sachsen: der Freisitz = der Biergarten) ein Ständchen singt.
Seine Gedanken haben seiner Stirn über die Jahre hinweg mehr Platz zum Denken eingeräumt. Nur die Schläfen und der kurzgeschorene Haarkranz am Hinterkopf sind grau. Er kommt ursprünglich aus Halle. Ihn kennt hier fast jeder. Und jeden Sommer freue ich mich, wenn er mir in der City oder im Clara-Zetkin-Park erneut begegnet und näselnd den The Doors Klassiker von Entzünden eines Feuers singt.
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